• 15. Oktober 2025

Kreistag am 24.09.2025: Zukunft der Kliniken und grün-rotes Abschieben von Verantwortung

Sep. 25, 2025

In der gestrigen Sitzung des Kreistages war das Top-Thema ein Gutachten zur Zukunft der Kliniken im Neckar-Odenwald-Kreis, also der Standorte Mosbach und Buchen. Die Grünen und die SPD als wesentliche Verursacher der politisch schlechten Rahmenbedingungen zeigten dabei schon den Weg der nächsten Monate auf, bei dem sie sich als angebliche Retter des Standortes Mosbach darstellen werden und verschweigen, dass gerade ihre Minister dafür verantwortlich sind.

Bei der Sitzung in der Odenwaldhalle in Mosbach-Lohrbach stellte das Beratungsunternehmen Lohfert & Lohfert (vertreten von Philipp Letzgus) ein Gutachten zu den Strukturen, der Wirtschaftlichkeit und den Möglichkeiten für die Neckar-Odenwald-Kliniken vor. Dabei gab es zahlreiche Fragen der Kreisräte. Wohlgemerkt muss man aber betonen, dass das Gutachten schon am 5. September den Mitgliedern des Aufsichtsrats und den Fraktionsvorsitzenden vorgestellt worden war und daher die meisten Fragen schon gestellt und beantwortet waren. Trotz der gut dreistündigen Beschäftigung (16:00 bis 18:47 Uhr) mit der Vorstellung und den Fragen hatten sich die Fraktionen also schon wesentlich länger und intensiver damit beschäftigt und die meisten wesentlichen Fragen waren schon vor der öffentlichen Sitzung gestellt worden.

Variantenbewertung aus dem Gutachten
Variantenbewertung aus dem Gutachten

Von fünf möglichen Varianten (und einer gesetzlich kaum möglichen und daher nicht weiter geprüften Variante) empfehlen die Gutachter die Option, dass die Klinik in Buchen zu einem größeren Versorger ausgebaut wird (u.a. mit Herzkatheter-Spezialisierung und zusätzlich einem pädiatrischen Angebot), während die Klinik in Mosbach zwar der Definition der Regierung nach ein Krankenhaus bleiben würde („Standortübergreifender Versorger“), in der Praxis aber nach Wahrnehmung der Menschen kein Krankenhaus mehr wäre, weil es keine 24-Stunden-Notfallversorgung mehr bietet, sondern eher ein Spezialkrankenhaus (z. B. eine Geriatrie) oder nur ein ambulanter Gesundheitsversorger wäre.

oder hier als Anlage 1 zum Tagesordnungspunkt 1 bei den öffentlichen Unterlagen zur Kreistagssitzung

Eine Entscheidung zur Zukunft der Kliniken wurde wohlgemerkt nicht getroffen – das war auch nicht vorgesehen. Zuerst muss die Position der Landesregierung abgewertet werden, weil nur diese die Leistungsgruppen (quasi Behandlungen) zuweisen wird, welche die Kliniken künftig vergütet bekommen.

Die Zukunft von Krankenhäusern ist generell unklar, weil insbesondere unter Ministern wie Landessozialminister Manfred Lucha (Grüne; noch im Amt) und Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD; im Amt bis Mai 2025) eine „Konzentration“ im Gesundheitswesen verfolgt wird, was letztlich das Zusammenlegen von Angeboten und damit das Schließen von Standorten bedeutet. Das KHVVG (Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz) wurde von Lauterbach eingebracht (Beschluss in Bundestag/Bundesrat im Oktober/November 2024) und gilt seit dem 1. Januar 2025, findet sich aber kaum geändert auch im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD (Seite 108, Definition der Kliniken und Leistungsgruppen) bzw. es sind von der Koalition keine Änderungen daran vorgesehen. Daher erfolgt nun die Spezifizierung der gesetzlich bereits gesetzten neuen Rahmenbedingungen.

Die Verantwortlichen sind also klar – mehr zu den Problemen der Vergütung in unserer Rede weiter unten. Doch genau dagegen stellen sich angeblich (!) die kommunalen Vertreter von SPD und Grünen – speziell die eher von Mosbachern als von Buchenern dominierte Kreistagsfraktion der SPD brachte sich schon als angebliche Verteidiger des Standortes Mosbach in Position. Doch nicht etwa in der eigenen Partei, um die Rahmenbedingungen zu ändern, sondern auf Kosten der anderen Gemeinden und Bürger im Landkreis.

Zu diesem Tagesordnungspunkt wurden dann aber nur Fragen, primär an den Gutachter, gestellt. Reden, auch allgemein zur Zukunft der Kliniken, folgten von den Fraktionen unter TOP2, eigentlich der Feststellung des Jahresabschlusses 2024 der Kliniken.

Die Vertreterin der Grünen machte es sich dann auch sehr einfach und schob der Klinikleitung die Verantwortung für das große Defizit der Kliniken zu, anstatt die politischen Rahmenbedingungen zu kritisieren, welche ja von jahrzehntelanger grüner Politik auf Landesebene geprägt sind, ebenso wie von den Entscheidungen der Ampel auf Bundesebene.

Als angebliche Einsparpotentiale benannten die Grünen dann Dinge wie energetische Maßnahmen. Nun kann man sicher immer ein wenig Energie und damit Geld einsparen, wenn man z. B. besser dämmt, doch erfordert dies erstmal hohe Investitionen. Und dafür hat man in der Lage ganz sicher keine Millionen Euro übrig. Selbst wenn es dafür Fördertöpfe geben sollte, wüssten die Grünen aber genau, wie lange eine solche „Bearbeitung“ in der Praxis dauert. Gerne rühmen sich Regierungen nämlich mit Fördermitteln oder Fonds zur Unterstützung ihrer politischen Vorgaben, doch in welcher Höhe und wann dann Mittel draus wirklich fließen, ist eine ganz andere Sache. Das weiß aber auch die Vertreterin der Grünen sehr genau, denn z. B. bzgl. des neuen Bettentrakts in Buchen (geplant seit 2009, erster Förderantrag von 2016, aktuelle Gespräche mit dem grünen Sozialministerium seit 2022 – und die Baukosten haben sich inzwischen mehr als verdoppelt) warten wir schon ewig auf die Freigabe der Förderung durch das Land. Es ist ein grünes Ministerium, welches uns zwar gerne unverbindlich die Unterstützung versichert, aber eben nicht verbindlich den notwendigen Zuschuss bestätigt. Auch im Mai kam wieder so eine angeblich „gute“ Nachricht – in der Praxis fehlt die konkrete Förderung aber bis heute (September). Vielleicht geht es doch eher um regelmäßig „gute“ Meldungen in der Presse über die tollen Förderungen durch die grüne Regierung, die nur in der Praxis nie ankommen (was die Presse dann kaum berichtet)?

Ist die Geschäftsführung der Kliniken schlecht oder die politischen Rahmenbedingungen?

  • Wir sind seit 2019 im Aufsichtsrat der Kliniken vertreten (die Grünen sind es schon viel länger), stellen in jeder Sitzung zahlreiche kritische Fragen und können daher mit gutem Gewissen sagen, dass wir die Hauptverantwortung für das große Defizit der Kliniken nicht der Geschäftsführung anlasten, sondern den politischen Rahmenbedingungen.
  • Dafür spricht auch, dass der Gutachter von Lohfert & Lohfert klar in der öffentlichen Sitzung sagte, dass es natürlich immer Optimierungsmöglichkeiten gibt (und die wird und sollte man angehen), aber die Gutachter hier nicht mal eine Million Euro an Einsparpotential sehen. Dies löst also nicht die politischen Rahmenbedingungen, denen wir gut 12-13 Millionen Euro Jahresverlust verdanken.
  • Ebenso spricht dafür, dass z. B. unsere Nachbarn dieselben Probleme haben. Unser Defizit von 12-13 Millionen Euro enthält Abschreibungen für die Gebäude der Kliniken. Die SLK-Kliniken (Stadt- und Landkreis Heilbronn) hätten mit Abschreibungen ein Defizit von 25 Millionen Euro, so deren Landrat. Die GRN-Kliniken (Rhein-Neckar-Kreis) hatten 2023 ein Defizit von 27,4 Millionen Euro.
  • Auch die allgemeine Lage sieht so aus: Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) beziffert das Defizit der Kliniken in Deutschland für das Jahr 2023 auf 9 Milliarden Euro, die BWKG beziffert für Baden-Württemberg über 670 Millionen Euro, für 2024 wahrscheinlich sogar 900 Millionen Euro. Für den Jahresabschluss 2024 gehen 85% der Kliniken von einem Defizit aus.

Wenn die Grünen und die SPD sich also als „Retter“ der Kliniken inszenieren wollen ist das einfach nur verlogen. Und wenn sie die Verantwortung den Geschäftsführungen zuschreiben wollen ist das nur der einfache Weg, um sich nicht mit den Verantwortlichen in den eigenen Parteien auseinandersetzen zu müssen. Für uns sind die Probleme klar durch die politischen Rahmenbedingungen verursacht und volle Absicht (gewünschte „Konzentration“ von Standorten bedeutet eben das Schließen von Standorten).

Warum gehen so wenig Patienten aus dem Neckar-Odenwald-Kreis in die eigenen Kliniken? Und ist das ein Problem?

Natürlich könnte auch die Auslastung der Kliniken höher sein, und wenn sich z. B. der Redakteur der Fränkischen Nachrichten wundert, dass die meisten Kreiseinwohner außerhalb des Landkreises behandelt werden, dann ist das erstmal verständlich. Doch ist das nicht so dramatisch („Abstimmung mit den Füßen“, gerne auch von den Grünen angeführt), wie man auf den ersten Blick meint.

  • Erstens wird im Landkreis gar nicht alles angeboten, also könnten gar keine 100% der Patienten aus dem Kreis auch im Landkreis behandelt werden. Beispielsweise gibt es keine Kinderkliniken oder Herzchirurgie. Genau dafür gibt es z. B. Unikliniken wie Heidelberg, die umgedreht eben viel höhere Patientenkapazitäten haben, als sie es für die eigene Bevölkerung ihres Stadt- oder Landkreises bräuchten.
  • Man kann auch nicht den Durchschnitt aller Behandlungskategorien zusammenrechnen und dann für einen Durchschnittswert teilen, wie es die örtliche Presse gemacht hat, denn es gibt ja z. B. von der Kategorie „Augen“ viel weniger Fälle als von der Geriatrie. So bekommt man also keinen realistischen Durchschnitt, wie viele Patienten aus dem Kreis extern behandelt werden.
  • Was ortsnah angeboten werden kann, häufig nachgefragt wird und keine extreme Spezialisierung erfordert, machen unsere Kliniken. Würden wir umgedreht versuchen, jeden Fall im eigenen Landkreis zu behandeln, bräuchten wir so viele Spezialisten, dass diese das Defizit noch weiter vergrößern würden. Also ist das gar nicht gewollt.

Zudem sind unsere Kliniken gar nicht dafür konzipiert, sämtliche Patienten des Landkreises aufzunehmen, also derart hoch sind die ungenutzten Kapazitäten nicht. Unserer Meinung nach würden ein paar Patienten mehr schon gehen, aber im Großen und Ganzen finden wir es richtig, wenn die Auslastung nicht bei 100% liegt, sondern es noch Kapazitäten für Notfälle und unvorhergesehene Situationen gibt.

Letztlich ist es aber einfach die Entscheidung der Bürger, wo sie sich behandeln lassen. Dass z. B. die meisten Schwangeren, die vorher nach Mosbach gegangen wären, nicht nach Buchen gehen würden, war vollkommen absehbar. Das haben wir schon bei der Schließung der Geburtshilfe Mosbach (gegen die nur die AfD-Fraktion einstimmig war!) gesagt. Buchen ist für viele Bewohner des Landkreises schlichtweg zu weit entfernt.

Mit der Konzentration auf einen Hauptversorgungsstandort in Buchen wird das daher absehbar noch zunehmen, dass viele Menschen im Landkreis lieber in umliegende Krankenhäuser gehen. Und das ist auch notwendig, denn ohne die umliegenden Krankenhäuser könnten bei uns gar keine Rettungszeiten mehr eingehalten werden. Schließt beispielsweise auch noch Eberbach, was nicht unwahrscheinlich ist, dann gibt es für viele Patienten in einem Teil des Landkreises kein näheres Krankenhaus mehr und das 40-50 Minuten entfernte Buchen hilft da nicht. Umgedreht ist das aber genauso: Im südlichen Teil des bayerischen Landkreises Miltenberg gibt es kein Krankenhaus, diese Patienten brauchen also ebenfalls Buchen. Patienten denken schlichtweg nicht in Landkreisen und Kreisstrukturen.

Unsere Rede zum Jahresabschluss 2024 / allgemein der Zukunft der Kliniken:

Sehr geehrter Herr Landrat,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
werte Gäste,

jedes Jahr im September1 kommt der große Verlust, nach den Einmaleffekten im letzten Jahr natürlich deutlich höher. Und immer dieselben Appelle und Feststellungen. Es bringt ja nun nichts nochmal dieselben Zahlen zu wiederholen, daher halte ich es allgemeiner.

Im Internet konnte ich neulich lesen, wie eine frühere Kreistagskollegin sinngemäß verbreitete, ihre Fraktion hätte in der Vergangenheit den Verkauf der Kliniken an Private verhindert. Als hätte das ernsthaft zur Debatte gestanden. Statt also endlich die eigenen angeblich sehr guten Kontakte in die höchsten Regierungskreise zu nutzen, um der eigenen Regierung etwas in den Hintern zu treten, sieht man groteske Fake-News – mit denen man offenbar die eigene Arbeit auf kommunaler Ebene rechtfertigen will, die doch letztlich komplett der Regierungspolitik entgegenlaufen muss. Bund und Land wollen schließlich „konzentrieren“ – ein Euphemismus für „schließen“ – und die Kommune will erhalten, trotz Defiziten.

Die Diskussion vorhin bestätigte dasselbe – gerade die, die sich als Retter andeuten, hätten doch nur ihren Parteifreund und Minister überzeugen müssen, dass z. B. ein weiterer Sicherstellungszuschlag notwendig und kein „Wunder“ ist2, und schon wären unsere Probleme kleiner.
Also bitte, liebe Kollegen und frühere Kolleginnen: Mehr Ehrlichkeit gegenüber den Bürgern und mehr Einsatz in der eigenen Partei würden der Zukunft unserer Kliniken wesentlich mehr helfen.

Doch was mich noch mehr ärgert, ist die immer wieder angestoßene Begründung – oder Ausrede – der schlechten Auslastung bzw. Belegung. Auch damit kann man mehr Verantwortung auf das örtliche Krankenhaus schieben und weg von den politischen Rahmenbedingungen.
Ich finde das absurd! Das Gesundheitswesen in einer Industrienation darf doch nicht ständig nur am Anschlag laufen – also auf höchster Auslastung. Es muss Unvorhersehbares wie Katastrophen oder Pandemien ohne Zusammenbruch verkraften können, sollte also im Regelfall nicht maximal ausgelastet sein.

Wir hier müssen Jahr für Jahr, sogar Monat für Monat von Sparzwängen und schlechten politischen Rahmenbedingungen reden. Auch das ärgert mich extrem, weil wir bekanntlich gleichzeitig auf der ganzen Welt mit unseren Steuern helfen – Tansania beispielsweise helfen wir bei der Einführung einer Krankenversicherung, während man bei den Vorhaltungen von Infrastruktur vor Ort für die eigene Bevölkerung ständig vom Kostendruck geleitet ist.
Damit mir das nicht falsch ausgelegt wird: Ich habe nichts gegen Gesundheitshilfe für Tansania, aber eben erst, wenn unsere eigenen Krankenhäuser nicht dauerhaft um die Existenz kämpfen müssen.

Ich bewundere die Krankenhäuser und Mitarbeiter, die sich noch auf ihre eigentliche Arbeit fokussieren können, während man über sie immer nur im Rahmen von Kosten spricht. Dieser völlig außer Kontrolle geratene Sparzwang und der Druck bei der Auslastung sind schlichtweg so inakzeptabel, wie wenn man von der Feuerwehr eine höhere Auslastung verlangen würde.

Den weiteren Weg nach der Vorstellung des Gutachtens heute werden wir sehr kritisch begleiten. Ich greife aber einen Punkt schon heraus, der bezüglich der „Reformen“ und der künftigen Finanzierung angesprochen wurde: die Vorhaltevergütung, die in Wirklichkeit nur eine Umschreibung ist, wie wir alle [vom Gutachter] gehört haben, und die Mindestmengen. Hier setzt man gleich den nächsten dummen, ja sogar gefährlichen Anreiz. Stellen Sie sich einfach als Beispiel vor, dass Sie künftig eine Mindestmenge bei Kaiserschnitten pro Jahr haben müssten, damit die Vorhaltungen dafür weiter vergütet werden. Es ist nur ein Beispiel. Wenn sich dann im November abzeichnet, dass man wohl 5 oder 10 Fälle unter der Mindestmenge sein wird – was wird wohl passieren?
Ich bin mir sicher, dass die meisten Ärzte und Krankenhäuser Patientinnen nicht mit unnötigen Eingriffen bedrängen würden – aber wer kann das von ausnahmslos allen sagen? Man könnte es sogar moralisch rechtfertigen, dass man eben ein paar eigentlich überflüssige Operationen empfiehlt – schließlich dient es dem Gesamtwohl, nämlich der finanziellen Existenz des Krankenhauses. Die WHO hält einen Kaiserschnitt in nur 10–15 % der Geburten für medizinisch indiziert – in Deutschland ist der Wert aber schon mehr als doppelt so hoch. Ich denke, mein Beispiel ist daher nicht unrealistisch und es wird spannend, wie sich die Quote der operativen Eingriffe mit dem neuen Vergütungssystem in Deutschland künftig im Vergleich zu anderen Staaten entwickeln wird.

Es ist aber nur ein Beispiel. Dasselbe könnte man auch mit anderen Operationen durchspielen, bei denen Deutschland schon jetzt weit über dem Durchschnitt liegt. Wenn Sie Beispiele wollen, sprechen Sie mich an, das sind nämlich wirklich viele.3 Vielleicht sind unnötige Operationen daher auch mit ein Grund, warum wir insgesamt mehr Krankenhauskapazitäten brauchen als andere Staaten. Doch die hohen Krankenhauskapazitäten4 prangert man dann wieder an. Mit einer „Konzentration“ bzw. dem Schließen von Standorten fallen diese OPs aber nicht weg. Es ist also keine Problemlösung, sondern die Änderung der Vergütung wird die Probleme noch verschärfen!

Fakt ist, dass das Vergütungssystem für Krankenhäuser schon bisher Anreize zu operativen Eingriffen gesetzt hat. Wenn nun noch der komplette Entzug der Vorhaltepauschalen droht [die 60% der Finanzierung ausmachen sollen], falls eine Mindestmenge nicht erreicht wird, ist das einfach nur ein vollkommen gefährlicher Fehlanreiz.

Zurück zum Jahresabschluss: Natürlich ist die Belastung der Bürger durch die zusätzlich notwendige Kreisumlage ein Problem. Aber Krankenhäuser sind, sofern sie nicht von sinnloser Verschwendung geprägt sind – wofür es bei uns keinerlei Anzeichen gibt -, Krankenhäuser sind der falsche Ort für Einsparungen. Da gibt es einfach ganz andere Bereiche, in denen der Staat sparen muss.
Insofern stimmen wir dem Jahresabschluss natürlich zu und bedanken uns bei allen Mitarbeitern unserer Kliniken, aber auch bei allen Bürgerinnen und Bürgern, die den Verlustausgleich letztlich stemmen.
Danke für die Aufmerksamkeit.


  1. Siehe auch z. B. unsere Rede im September 2022. ↩︎
  2. Die Kollegin der Grünen sprach in ihrer Rede davon, dass man nicht auf ein Wunder (in Form von staatlichen Geldern) warten sollte. ↩︎
  3. Deutschland hat eine hohe Rate an künstlichen Hüft- und Kniegelenken im Vergleich zu vielen anderen Ländern. Besonders in Deutschland gibt es allgemein eine hohe Prävalenz von Elektivoperationen (geplante Eingriffe) in der Orthopädie, z. B. bei degenerativen Gelenkkrankheiten oder Arthrose. Deutschland hat auch eine hohe Rate an Kaiserschnitten im Vergleich zu seinen Nachbarländern, vor allem im privaten Sektor. Deutschland hat ebenso eine relativ hohe Rate an Herzoperationen, insbesondere bei Bypass-Operationen und Herzklappenersatz. Auch bei Wirbelsäulenoperationen wie der Bandscheibenoperation oder Wirbelsäulenversteifungen liegt Deutschland im Vergleich zu vielen anderen Ländern weit vorne. Deutschland führt auch vergleichsweise extrem viele Gallenblasenentfernungen durch. Auch bei Blinddarmentfernungen (Appendektomie) liegt Deutschland über dem europäischen Durchschnitt, was teilweise mit einem höheren Diagnosestandard und einer frühzeitigen operativen Behandlung zusammenhängt. Bei Leistenbruch-Operationen (Hernien-Operationen) gibt es auch eine überdurchschnittliche Häufung in Deutschland.
    Wichtig: das heißt ausdrücklich nicht, dass in Deutschland zwingend unnötig operiert wird. Mehr Operationen können auch z. B. an einer besseren Diagnostik, einer breiteren Verfügbarkeit von spezialisierten Chirurgen, einer schnelleren Behandlung oder sonstigen Faktoren liegen. Entscheidend ist aber, dass für wesentlich mehr Eingriffe auch mehr Kapazitäten in Krankenhäusern benötigt werden, also entweder viel größere Krankenhäuser oder eben deutlich mehr Krankenhäuser als in anderen Staaten! Allerdings haben wir eben leider auch ein Vergütungssystem, welches falsche Anreize (pro Operation) setzt und daher ist es schwierig zu beurteilen, ob jede Operation sinnvoll war.
    ↩︎
  4. Nach Eurostat-Daten hatte Deutschland ca. 766 Krankenhausbetten pro 100.000 Einwohner im Jahr 2022. Der EU-Durchschnitt lag im selben Zeitraum bei etwa 516 Betten pro 100.000 Einwohner. ↩︎