In der Kreistagssitzung am 23. Oktober 2023 ging es primär um den Jahresabschluss 2023 des Landkreises (in der Sitzung am 2. Oktober ging es um den Jahresabschluss 2023 der Kliniken und der Abfallwirtschaft) und um einen Neubau beim Landratsamt Mosbach.
Wir haben dem Neubau eines Gebäudes am Campus des Landratsamtes Mosbach mit 120 neuen Arbeitsplätzen nicht zugestimmt. Neben uns gab es nur eine Gegenstimme aus den Reihen der Freien Wähler (die ansonsten aber alle zustimmten), der Neubau wurde daher beschlossen. Unsere Rede zum Neubau beim Landratsamt Mosbach:
Kreisrat J. MartelSehr geehrter Herr Landrat,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
werte Gäste,in der zuständigen Ausschuss-Sitzung ging es primär um die Wahlmöglichkeiten zwischen drei Varianten. Untergeordnet war hingegen die Frage, ob der Bau überhaupt notwendig und ob der dafür vorgesehene Platz sinnvoll ist.
Wir erkennen den Raumbedarf für das Landratsamt an, zumal dafür auch Teile von anderen Lokalitäten aufgegeben werden können. Der Personalanstieg ist generell kritikwürdig, ist aber durch gesetzliche Entscheidungen bedingt und somit nicht vom Landkreis änderbar.
Bereits jetzt gibt es aber zu wenige Parkplätze beim Landratsamt. Nun werden noch bestehende Parkplätze wegfallen. Variante A und B waren daher sowieso keine Option.
Mit dem neuen Gebäude kommen aber 120 neue Arbeitsplätze auf dem Campus hinzu. Das sind am Ende deutlich über 120 Mitarbeiter. Mitarbeiter, die Job-Sharing machen, sprechen sich bei Übergaben ab, die flexiblen Arbeitsplätze wie Open Space sorgen auch für höheren Bedarf bei gleichzeitiger Anwesenheit von mehr Mitarbeitern, die z.B. zu Besprechungen kommen, aber ansonsten mobil Arbeiten oder sonstiges. Dazu kommen noch Kunden und Bürger.
Es ist daher durchaus realistisch, dass durch den Neubau an vielen Tagen 140 oder 150 zusätzliche Menschen auf den Campus kommen und für diese gibt es keinen einzigen Parkplatz. Keinen einzigen!
Das muss in einem Verkehrschaos enden.
Schon eine Person, die immer wieder um den Block fährt oder blinkend irgendwo wartet, bis ein Parkplatz frei wird, kann zu einem Verkehrsproblem werden. Und jetzt stellen Sie sich über 100 Menschen vor, die keinen Parkplatz finden.
Da muss noch eine Lösung her!
Die Menschen kommen nicht alle mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Und selbst wenn doch hätten diese nicht unbegrenzt freie Kapazitäten!
Die Mitarbeiter werden auch nicht alle neu eingestellt, sodass man sagen könnte, dass denen ja bewusst sein muss, dass sie keinen Parkplatz bekommen werden. Nein, vielfach arbeiten diese Mitarbeiter schon für uns an anderen Standorten, wo wir sie vorübergehend „ausquartiert“ haben. Wir erwarten von diesen also eine Flexibilität beim Arbeitsort, die sie letztlich nur mit einem Auto haben können. Und plötzlich versetzen wir sie dann und bestrafen sie für das Auto?
So bekommen wir keine Fachkräfte!
So sind wir kein attraktiver Arbeitgeber.
So verlieren wir womöglich sogar Mitarbeiter!Es wäre fahrlässig, wenn wir hier sehenden Auges ein dauerhaftes Verkehrschaos verursachen.
Die „Verkehrswende“ darf aber kein „Verkehrschaos“ werden.Wenn durch das Verkehrschaos dann auch Busverbindungen um das Landratsamt herum verzögert werden, dann wird es der Verkehrswende generell schaden.
Die sogenannte „Verkehrswende“ muss beim Güterverkehr anfangen und nicht beim Individualverkehr im ländlichen Raum!
Wir haben das Thema daher fraktionsintern ausführlich diskutiert und wir tragen ein neues Gebäude für den Standort Mosbach mit. Aber wir sehen auf absehbare Zeit keine realistische Wahrscheinlichkeit, dass noch zusätzlicher Parkraum geschaffen wird und der bisherige Parkraum, wie auch das benachbarte Parkhaus, sind schon überlastet.
Ohne ein zusätzliches Parkhaus ist der vorgesehene Standort somit ungeeignet.
Denkbar ist zwar auch etwas weiter außerhalb einen oder mehrere Parkplätze mit Bussen anzubinden, aber zumindest derzeit fühlt sich das Landratsamt dafür nicht zuständig. Eine Lösung für das Verkehrsproblem fehlt also noch.
Im Ausschuss waren wir auf die Gebäudevarianten fokussiert und haben daher natürlich die Empfehlung von Variante C mitgetragen. Doch die Auswahl der Varianten war ablenkend, sodass zu wenig über das Problem selbst gesprochen wurde. Wir werden daher heute für keine Variante stimmen, sondern ablehnen, weil wir das leider absehbare Verkehrschaos nicht mittragen können.
Danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Dem Jahresabschluss 2023 haben wir zugestimmt, wobei dies nur eine Formsache ist. Das Haushaltsjahr ist ja längst rum, d.h. der Jahresabschluss beschäftigt sich damit, wo es finanzielle Abweichungen zu den Planungen gab. Hier können also unerwartete Entwicklungen kritisiert werden, doch da das Geld bereits ausgegeben ist, kann nichts mehr geändert werden. Unsere Rede zum Jahresabschluss 2023:
Kreisrat T. EckertSehr geehrter Herr Landrat,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
werte Gäste,beim Rechenschaftsbericht von 2023 fallen ein paar Dinge sofort auf. Beispielsweise die Explosion der Personalkosten in zehn Jahren. Von 2013 mit 32,17 Millionen Euro auf 52,59 Millionen Euro (2023). Und im Vergleich zum Vorjahr rund 5 Millionen Euro (4,94) mehr.1 Und das obwohl sich durch die Einstellung von 26 Beamten eine Verjüngung ergeben hat2, „die sich auch günstig auf den Besoldungsaufwand ausgewirkt hat“.
Im Rechenschaftsbericht wird das begründet mit dem aktuellen Stellenzuwachs u.a. mit dem „gestiegenem Flüchtlingszugang, den Mehraufwendungen in den Bereichen Ausländerrecht, Einbürgerungen, Flüchtlingssozialarbeit, Hilfen für Flüchtlinge sowie deren Unterbringung“.3 Im Vergleich zum Vorjahr kostet uns dieser Bereich 1 Million Euro mehr und damit rund eine halbe Million Euro mehr als geplant.4 In dem Zusammenhang verweise ich auch auf die Verbindlichkeiten aus Kreditaufnahmen auf Seite 685: der größte Teil unserer aufgenommenen Kredite steht im Zusammenhang mit der Unterbringung von Flüchtlingen.
Ich bin mir sicher, dass nicht mal eine Grüne sich privat verschulden würde, um mit dem geliehenen Geld Fremden zu helfen. Warum erwartet man das dann von Kommunen? Sozial kann man nur mit Geld sein, welches man übrig hat. Schade, dass diese Deutlichkeit der Verwaltung erst langsam über die Jahre zunahm, waren die entstehenden „Herausforderungen“ doch schon seit Jahren absehbar.
Spannend ist auch, wenn im hoch bürokratisierten Deutschland nicht bekannte Wasserleitungen auftauchen, wie beim Ersatzneubau des GTO (Ganztagsgymnasium Osterburken), was nicht nur zu zeitlichen Verschiebungen führte, sondern auch zu einem Mittelabfluss von 10 Millionen Euro.6
Auf Seite 54 hingegen findet man beim „Erwerb von Vermögen“ auch neue Ladesäulen für 128.000 Euro.7 Ob man die als „Investition“ bezeichnen kann, also etwas, was seine Kosten irgendwann wieder reinbringt, kann man bezweifeln.
Ebenso kann man daran zweifeln, ob wir als Landkreis Kunstgegenstände und Kunstwerke8 für mehrere zehntausend Euro (41.649,68 €) besitzen müssen. Richtig ist zwar, dass die Kunst meistens nicht an Wert verliert, aber trotzdem muss diese versichert werden oder unterliegt ansonsten einem Risiko, z.B. durch Beschädigung. Ich erinnere in dem Zusammenhang an den Jahresabschluss 2019, beim dem nicht mehr auffindbare Kunstgegenstände festgestellt wurden, mit der Vermutung, dass die Kunst offenbar nicht erkannt und daher entsorgt wurde. Aber wenigstens kamen keine neuen Kunstwerke hinzu.
Lobenswert sind für uns natürlich die weiter gesunkene und mit 56 Euro sehr niedrige Pro-Kopf-Verschuldung9, ebenso wie die zahlreichen sinnvollen Investitionen10 in Wege, Schulen, ÖPNV und Kreisgebäude. Natürlich kann es immer „noch mehr“ sein, aber irgendwo muss ein Mittelweg gefunden werden.
Was uns doch überrascht hat ist auch die reine Statistik. Während die Bevölkerungszahl in den Jahren 2013, 2014 und 2015 noch recht stabil war, stieg sie ab 2015 plötzlich schnell an und so lebten 2023 über 4000 Menschen mehr in unserem Landkreis.11 Da bekamen wir wohl „Menschen geschenkt“, wie eine bekannte Politikerin sagen würde.12
4.000 Menschen mehr entspricht der kompletten Bevölkerung einer unserer mittelgroßen Gemeinden wie Seckach (4115 Einwohner). Folglich darf man sich über einen knappen Immobilienmarkt nicht wundern. Überlegen Sie mal, dass man in acht Jahren eine komplette Gemeinde bauen müsste wie Schefflenz (3971 Einwohner) oder Seckach mit allen Ortsteilen. Diese Bevölkerungszunahme muss somit bei der Infrastruktur Berücksichtigung finden, so bedeutet eine zunehmende Bevölkerung beispielsweise ein Mehrbedarf beim Gesundheitssystem, was die Realität um den Abbau von Krankenhausstrukturen, Notfallpraxen, Apotheken, usw. noch schlimmer macht.
Zum Schluss noch das Peking-Geschäft unserer AWN, welches endlich abgewickelt wird. Wir haben uns über den Ausflug des Neckar-Odenwald-Kreises nach China ja schon von Anfang an gewundert. Inzwischen hat sich, ich verweise auf den Schlussbericht S. 8213, die Erkenntnis durchgesetzt, dass das Örtlichkeitsprinzip nicht beachtet wurde.
Wieso es so viele Jahre gedauert hat, um zu bemerken, dass China nicht zum Neckar-Odenwald gehört und ein Örtlichkeitsprinzip vorgeschrieben ist, das bleibt wohl ein Rätsel. Die mögliche Begründung, das andere dieses Prinzip auch nicht einhalten, wäre zwar nachvollziehbar, aber rechtlich fragwürdig.
Ansonsten sind wir froh, dass es 2023 noch so vergleichsweise gut lief und schließen die Vergangenheit somit ab. 2025 und 2026 werden herausfordernder. Oder wie der Präsident des Städtetags Frank Mentrup kürzlich erklärte: „Über 60% der Kommunen und über 80% der Landkreise bekommen keinen ausgeglichenen Haushalt mehr hin – mit steigender Tendenz“.14 Wir werden heute sicher noch mehr dazu hören.
Dem Jahresabschluss 2023 stimmen wir zu und bedanken uns bei allen, die daran mitgewirkt haben.
Danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Im Anschluss an die Themen hat der Landrat seinen Haushaltsvorschlag für 2025 eingebracht. Dieser Vorschlag wird nun in den Ausschüssen genauer vorgestellt und diskutiert, ebenso wie in der Fraktion und steht dann in der Dezember-Sitzung zum Beschluss.
- Schlussbericht über die örtliche Prüfung des Jahresabschlusses S. 68 ↩︎
- Schlussbericht S. 69, vgl. Ziffer 7.1.6 ↩︎
- Rechenschaftsbericht S. 47 ↩︎
- Rechenschaftsbericht S. 44 ↩︎
- Rechenschaftsbericht S. 68 ↩︎
- Rechenschaftsbericht S. 52 ↩︎
- Rechenschaftsbericht S. 54 ↩︎
- Bilanzposition 1.2.5 ↩︎
- Rechenschaftsbericht S. 78 ↩︎
- Rechenschaftsbericht S. 79 ↩︎
- Rechenschaftsbericht S. 81 ↩︎
- Katrin Göring Eckardt bei der EKD-Synode 2015 in Bremen: „Jetzt bekommen wir auf einmal Menschen ‚geschenkt‘.“ ↩︎
- Schlussbericht S. 82; Fakt ist allerdings, dass es im Beteiligungsbericht 2023 auf S. 39 noch zur „Erfüllung des öffentlichen Zwecks heißt: „Der Zweck des Unternehmens wird erfüllt.“ Der Unternehmenszweck der AWN Beijing war aber offenbar kein Zweck des Landkreises oder nur indirekt durch mögliche Einnahmen. ↩︎
- „Über 60% der Kommunen und über 80% der Landkreise bekommen keinen ausgeglichenen Haushalt mehr hin – mit steigender Tendenz“, Frank Mentrup (Präsident des Städtetags Baden-Württemberg; Oberbürgermeister von Karlsruhe), u.a. zitiert im Reutlinger General-Anzeiger vom 27.09.2024, S. 4 und in der Ludwigsburger Kreiszeitung vom 28.09.2024, S. 5 ↩︎